ASK 209

12.9.2025

„Die Kunst liegt darin, wie du aufstehst“

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Es war ein Transfercoup, mit dem der LASK auch international für Schlagzeilen sorgte: Am Deadline Day kehrte Österreichs 19-facher Teamstürmer Saša Kalajdžić von den Wolverhampton Wanderers in die österreichische Bundesliga zurück. Wie der 28-Jährige seine ersten Tage in Linz erlebt hat, woher seine Bodenständigkeit rührt, wie er seine Verletzungen überwunden hat und was er mit dem LASK vorhat, schildert der 2,00 Meter lange Torjäger im Interview für LASK TV.

Saša, herzlich willkommen hier in Linz, herzlich willkommen beim LASK. Wie waren die ersten Tage für dich?
Danke erstmals, ich freue mich, hier sein zu dürfen. Die ersten Tage waren gut, auch turbulent, weil alles relativ schnell gegangen ist. Aber hat alles sehr smooth funktioniert. Die ersten Eindrücke sind sehr, sehr gut.

Du hast auch schon deine ersten Trainingseinheiten absolviert, wie sind diese verlaufen?
Die Mannschaft hatte drei Tage frei wegen der Länderspielpause, deswegen war das erste Training zum Reinkommen, danach wurde es schon anstrengender. Aber es war wirklich gut. Ich habe einen sehr guten Eindruck und bis jetzt ein gutes Gefühl.

Dein Transfer hat international auch für Schlagzeilen gesorgt. Warum hast du dich letztlich dafür entschieden, aus der Premier League zum LASK zu kommen?
Das Allerwichtigste ist für mich, nach der letzten Verletzung Spielpraxis zu bekommen. Mein letztes Spiel davor lag bereits relativ lange zurück. Ich glaube, beim LASK habe ich alle Bedingungen, die ich brauche. Von den infrastrukturellen Gegebenheiten über den Staff bis hin zu den lebenstechnischen Umständen für meine Familie und mich. Ich habe alles, was ich brauche, um wieder auf das Niveau zu kommen, wo ich hin möchte. Für mich ist es einfach nur wichtig, wieder zu spielen und einfach Spaß am Fußball zu haben.

Du sprichst gerade deine Familie an. War das auch ausschlaggebend für dich, dass du jetzt hier wieder zurück in Österreich in deiner Heimat bist?
Ja, das war sicher ein sehr großer Grund. Wie gesagt, es haben viele Faktoren mitgespielt. Am Ende war es auch dieses absolute Wollen vom LASK, vor allem von Dino Buric, den ich auch kenne und sehr schätze. Ich glaube, das hat den Ausschlag gegeben, dass ich mich hier vielleicht doch am wohlsten fühlen werde. Ich kann mich hier am besten zu meiner Form zurückkämpfen, diesen körperlichen Spielrhythmus finden und wieder 100% Vertrauen in den Körper bekommen. 

Du sprichst jetzt sehr viel über Personen. Im Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten hast du gesagt, dass du beim LASK wie ein Mensch und nicht wie ein Spieler behandelt worden bist. Wie hat sich das gezeigt? 
Eine wichtige Komponente war sicherlich der familiäre Aspekt. Man hat einfach versucht, mir in allen Bereichen zu zeigen, dass man hier wirklich auf mich setzt, mir vertraut und mir auch die Zeit gibt, die mein Körper jetzt brauchen wird, um wieder auf hohem Niveau jede Woche 90 Minuten zu spielen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, ich bin hier keine Ware oder kein Spieler, sondern ich bin ein Mensch. Jeder hat Bedürfnisse, um sich wohlzufühlen. Ich brauche nicht viel, aber man hat sich hier wirklich sehr, sehr um mich bemüht und das war am Ende wahrscheinlich einer der Faktoren, wo ich gesagt habe, das ist vielleicht wichtiger, als in einer größeren Liga oder in einem größeren Verein zu spielen. Wie gesagt, das Gesamtpaket hat einfach gepasst.

Zur Begrüßung durfte Saša Kalajdžić durch den „Tunnel“.

Ungewöhnlicher Werdegang, kometenhafter Aufstieg

Werfen wir noch einmal einen Blick zurück auf deine Karriere: Du hast keine Akademie durchlaufen, hast von der SV Donau Wien über Donaufeld und die Vienna den Sprung in die Bundesliga zur Admira geschafft. Inwiefern unterscheidet dich das von anderen Spielern?
Ich glaube, es ist etwas Besonderes, weil mit dir keiner gerechnet hat. Zu mir hat niemand gesagt, der wird einmal Profi, sondern ich habe mir das erarbeitet und musste immer mehr machen, als diejenigen, die in einer Akademie waren und dort gefördert wurden. Von mir hat das niemand erwartet. Ich habe selbst an mich geglaubt und es gehört natürlich auch Glück dazu. Man muss in den richtigen Momenten abliefern, das habe ich getan. Ich habe hart gearbeitet und die Zähne zusammengebissen, mein Bestes gegeben und am Ende ist das dann herausgekommen. Als ich sah, dass da wirklich viel möglich ist, habe ich noch mehr Gas gegeben, weil ich das Maximum erreichen wollte. Ich bin sehr ehrgeizig und deswegen ist das vielleicht etwas, was mich als Nicht-Akademiespieler zu anderen unterscheidet.

Wann hast du das gesehen, dass da mehr möglich ist?
Ich wusste damals nicht, wie die Fußballwelt aussieht, meinen Eltern ging es genauso. Mein Vater kennt sich gut aus im Fußball, so wie viele andere, die Ahnung haben. Wenn du ein Match hast, sieht man, ob jemand kicken kann. Aber wie diese Fußballwelt funktioniert, wie Transfers getätigt werden, wie andere Vereine arbeiten, das konnten sie nicht wissen, das konnte ich nicht wissen. Das sind Sachen, die ich jetzt gesehen habe. Ich habe einen Sohn, wenn er einmal Fußball spielen möchte, dann weiß ich zumindest, wie alles ablaufen wird. Das wird vielleicht ein bisschen etwas vereinfachen. Aber ich glaube, der Moment, als ich gesagt habe, ich kann absolut viel erreichen, das war in der Saison, als ich in Stuttgart sehr gut gespielt habe. Danach habe ich gesehen, da ist noch mehr drin und davon bin ich immer noch überzeugt.

Du hast ja 2016 tatsächlich noch in der Reserve in Donaufeld gespielt. Danach hattest du einen kometenhaften Aufstieg. Wie schafft man es, trotzdem so bodenständig zu bleiben?
Ich bin als Typ einfach so, wie ich bin. Ich bin froh, wenn man das über mich sagt. Ich habe meinen kleinen Kreis von Leuten, mit denen ich zusammen bin, die ich liebe und die mir nur das Beste wünschen. Wenn man mit solchen Leuten zusammen ist, fliegt man auch nicht so hoch. Ich habe von anderen Beispielen gelernt und auch von mir selbst, dass es schnell wieder nach unten gehen kann - wobei ich nicht sage, dass ich hochgeflogen bin, das waren eher die Verletzungen. Je höher du mit der Nase fliegst, desto tiefer kannst du fallen.

Der 28-Jährige präsentierte sich in den ersten Einheiten im Trainingszentrum der Raiffeisen Arena bereits in guter Verfassung.

„Je schwerer die Rückschläge, desto größer werden Charakter und Wille“

Du sprichst gerade deine extremen Rückschläge an. Was ist dir nach deinem letzten Kreuzbandriss durch den Kopf gegangen?
Ich war sprachlos. Ich konnte es eigentlich nicht glauben. Beim ersten habe ich geweint, beim zweiten stand ich unter Schock, beim dritten habe ich gesagt, was soll das jetzt? Warum muss das wieder passieren? Aber es ist passiert. Ich habe alles dafür gegeben, dass ich wieder gesund bin. Es wurde alles repariert, ich habe keine Schmerzen, keine Probleme. Ich habe auch mehr Erfahrung, wie ich vielleicht gewisse Sachen angehe, und die werde ich so angehen. Ich gehe davon aus, dass das der letzte gewesen sein wird.

Wie schafft man es, vor allem in mentaler Hinsicht, sich da immer wieder zurückzukämpfen?
Ja, es war extrem schwierig. Man ist weit weg von zu Hause, das war das Allerschwerste. Meine Frau und mein Kind haben mir am meisten geholfen. Vor allem mein Sohn hat mir keine Zeit zum Nachdenken gegeben, weil er die ganze Aufmerksamkeit brauchte und das war dann auch gut, er hielt mich auf Trab. Ich habe noch so viel vor, was ich erleben möchte, es gibt so viele Stadien, die ich sehen möchte, zu viele Spiele habe ich verpasst, die ich nachholen möchte, und in denen ich hoffentlich auch Tore schießen kann. Solange ich davon überzeugt bin, dass mein Körper das kann - und davon bin ich 100 Prozent überzeugt - werde ich immer kämpfen. Im Leben wird jeder Rückschläge haben, es kann immer etwas passieren. Aber die Kunst liegt darin, wie du aufstehst. Je öfter du runtergedrückt wirst, desto öfter musst du aufstehen. Dann formen sich dein Charakter und dein Wille. Je schwerer die Rückschläge sind, desto größer werden dein Charakter und dein absoluter Wille. Kicken kann ich, ich glaube, das kann man nicht verlernen. Von daher geht es nur darum, wieder diesen Rhythmus zu bekommen. Wenn der Rhythmus wieder da ist, dann vergisst man hoffentlich, was davor passiert ist.

Du hast letztens nach über 500 Tagen gegen Everton dein Comeback in der Premier League gefeiert. Nimm uns einfach mal mit: Was war das für ein Gefühl, da wieder am Rasen zu stehen?
Das Gefühl war sehr schön. Wirklich emotional war es aber davor im Carabao-Cup gegen West Ham. Nach diesem Spiel war ich im Kopf komplett leer. Ich war so erschöpft vom Spiel, obwohl ich nur 15 Minuten gespielt habe. Aber da war diese emotionale Komponente - alle haben mir zum Comeback gratuliert. Es war kein Freundschaftsspiel, sondern es ging um etwas, es war auch ein hitziges Spiel und am Ende haben wir gewonnen. Aber danach war ich platt im Kopf. Gegen Everton war das nicht der Fall, weil ich das schon davor erlebt hatte. Aber es war ein tolles Gefühl, die Fans haben applaudiert und haben sich gefreut. Meine Familie war auch im Stadion, als ich sie sah - mehr brauchte ich nicht, das ist das, was am meisten zählt. Ich werde hoffentlich noch viele Spiele erleben, deswegen habe ich mir da nicht so viele Gedanken gemacht.

Beim LASK möchte Kalajdžić Schritt für Schritt seinen Spielrhythmus wieder finden.

Sašas großes Ziel: „Noch stärker zurückkommen“

Wenn wir jetzt wieder den Fokus auf den LASK legen. Was sind deine sportlichen Ziele mit dem LASK?
Ich bin keiner, der große Töne spuckt und vom Meistertitel oder Cupsieg spricht. Das interessiert mich jetzt nicht. Mein persönliches Ziel ist, step by step in den Spielrhythmus zu kommen. Das wurde auch mit dem Verein offen und ehrlich so kommuniziert. Deswegen war es eine Entscheidung pro LASK, weil man mir hier die Zeit gibt, meinen Körper wieder in den Rhythmus zu bringen. Ich brauche einfach wieder Spiele. Mein Körper ist es nicht gewohnt, jede Woche 90 Minuten zu spielen. Das ist jetzt das, was ich brauche: Minuten, Minuten, Minuten. Jede Woche ist eine Woche mehr, in der sich mein Körper angepasst hat. Das ist jetzt mein Ziel, mich jede Woche nach vorne zu arbeiten, um wieder auf das Level zu kommen, wo ich 90 Minuten spielen kann. Das Ziel mit dem Verein ist, dass wir so weit wie möglich vorne mitspielen, im Grunddurchgang in die Top 6 kommen und dann um die Europacup-Plätze spielen. Das ist der Anspruch vom LASK, dem ich gerecht werden will.

Wolverhampton hat eine Dokumentation über dich gedreht mit dem Titel False Start. Wenn wir in einem Jahr eine LASK-Doku über dich drehen würden, welchen Traumtitel würdest du tragen?
Ich schaue nicht so weit nach vorne. Meine Frau hat gesagt, sie schreibt vielleicht ein Buch über mich. Ich glaube, das hat man auch nicht oft erlebt, dass jemand drei Kreuzbandrisse hatte, dann zurückkommt und vielleicht noch besser ist als früher. Das ist mein Ziel. Also nicht das Buch, sondern stärker zurückkommen. Aber ich glaube, es würde sich gut lesen. Meine Frau hat da schon die Rechte (lacht).