
30.7.2025
„Vertrauen ist alles": Joao Sacramento im 08ER-Interview
Joao Sacramento liebt und lebt den Fußball. Diese Leidenschaft und Begeisterung will der 36-Jährige auch auf seine Mannschaft übertragen. Mit Vertrauen, Ehrlichkeit und Emotion versucht der Portugiese, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Spieler entfalten können. Erfahrung sammelte er bei Stationen wie Paris SG, Tottenham, AS Roma oder AS Monaco, er lernte von Koryphäen wie Jose Mourinho, Christophe Galtier, Leonardo Jardim oder Claudio Ranieri und arbeitete mit Weltstars wie Lionel Messi, Kylian Mbappe, Neymar, Sergio Ramos, Harry Kane oder Gareth Bale zusammen. Nun will Sacramento mit seinem Team dem LASK zu sportlichen Erfolgen und bleibenden Erinnerungen verhelfen, wie er im Interview in der brandneuen Ausgabe unseres 08ER-Magazins erklärt.
Du hast bei deiner Präsentation als Cheftrainer des LASK von einer starken Verbindung mit dem Klub gesprochen, die du von Anfang an verspürt hast. Inwiefern hat sich dieses Gefühl in den ersten Wochen bestätigt und wie hast du den Verein bisher erlebt?
Ich hatte dieses Gefühl vom ersten Tag an. Zunächst hat mich die Energie der Menschen hier beeindruckt. Wir haben ein sehr junges, motiviertes Team beim LASK, in dem alle ihren Beitrag leisten wollen, damit wir diesen einen Extra-Prozentpunkt jeden Tag erreichen können. Gleichzeitig sieht man, wie gut der LASK intern aufgestellt und organisiert ist, auch mit dieser eindrucksvollen Infrastruktur. Der Verein wächst täglich und unser Ziel ist, dass die sportliche Entwicklung mit diesem Wachstum abseits des Feldes Schritt hält. Wir wollen, dass unsere Leistungen dem Niveau des Klubs entsprechen. Sportdirektor Dino Buric meinte, man habe in den Gesprächen sofort bemerkt, dass du für die Aufgabe brennst.
Du vermittelst das Gefühl, mit Leib und Seele Trainer zu sein und den Fußball zu lieben. Inwiefern lässt sich diese Begeisterung auf die Mannschaft übertragen?
Diese Leidenschaft ist für mich eine Lebensphilosophie. Ich glaube, dass man nur mit Leidenschaft leben kann – für alles, nicht nur für den Beruf. Ich bin ein Mensch, der die Begeisterung und die Emotionen braucht. In der heutigen Zeit wird viel über emotionale Intelligenz gesprochen, über die Kontrolle von Gefühlen. Ich verstehe das, aber ich will nicht zu viel kontrollieren, weil ich glaube, dass echte Emotionen entscheidend sind, um besondere Momente zu schaffen. Mein Ziel ist es, den Spielern täglich diese Begeisterung vorzuleben. Und ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Haltung auch erfolgreich sein können.
Im Jahr 2020 warst du als Co-Trainer von Jose Mourinho beim 3:3 des LASK in der UEFA Europa League gegen Tottenham mit dabei. Dabei hat dir vor allem die Mentalität der damaligen Linzer Mannschaft imponiert, die ohne großen Topstar, aber als starkes Kollektiv agiert hat. Wie sehr strebst du, unabhängig von der Spielanlage, eine ähnliche Entwicklung an und was ist notwendig, um eine solche Atmosphäre innerhalb der Mannschaft zu erzeugen?
Ich habe damals eine Mannschaft gesehen, die schwer zu schlagen war. Es war keine Ansammlung der besten Einzelspieler, sondern eine starke Einheit. Für mich ist von Bedeutung: Ein Team ist nicht dasselbe wie eine Gruppe, ein Team ist mehr. Das ist genau das, was wir hier wieder aufbauen möchten, ein Team, das füreinander einsteht, wo ein Spieler dem anderen hilft. Ja, wir möchten diese DNA des LASK von früher zurückbringen – aber auf unsere Art. Ich glaube nicht daran, Dinge zu kopieren. Wichtig ist, dass wir unseren eigenen Weg gehen, immer mit dem Ziel, dass die Fans stolz auf uns sind, selbst wenn wir nicht gewinnen. Sie sollen das Gefühl haben: Diese Mannschaft hat alles gegeben.
Neben deiner Fachkompetenz bringst du große soziale Kompetenz mit. Dabei ist dir wichtig, eine enge Beziehung zu deinen Spielern herzustellen. Was ist in diesem Prozess wichtig, um entsprechendes Vertrauen aufbauen zu können?
Vertrauen ist alles. Ich glaube an diese Art von Führung, bei der ich mich meinen Spielern nahe fühlen muss – und sie sich mir. Es ist eine Beziehung in beide Richtungen. Wir verbringen so viel Zeit miteinander, manchmal mehr als mit unserer eigenen Familie. Die Spieler sollen merken, dass ich für sie da bin. Ich will, dass sie spüren, dass ich ihnen vertraue und dass sie mir vertrauen können. Und am Ende des Tages habe ich eine Regel: Ich werde meine Spieler niemals anlügen. Ich sage ihnen immer die Wahrheit, und ich möchte, dass sie das Gleiche mit mir tun. Sie wissen, meine Tür steht immer offen. Dieses Vertrauen will ich in beide Richtungen aufbauen.

Auch im Interview für das 08ER-Magazin wurde deutlich: Joao Sacramento liebt und lebt den Fußball.
„Fehler akzeptieren, aber aus ihnen lernen“
Du stehst nun erstmals in der vordersten Reihe, trägst die Letztverantwortung und musst damit auch unangenehme Entscheidungen treffen. Wie gehst du mit solchen Situationen um?
Das Schöne an diesem Beruf ist, es gibt immer mehrere Wege, die funktionieren können. Fußball erfordert viel Sensibilität, es gibt keine Rezepte oder Bücher, die einem alle Antworten liefern. Man muss fühlen, was in dem Moment die beste Lösung ist. Das macht unseren Job schwer, aber mit Erfahrung und Zeit entwickelt man dieses Gespür. Gleichzeitig will ich, dass meine Spieler und mein Staff sich stets daran erinnern: Wir sind Menschen, wir machen Fehler, wir sind nicht perfekt. Aber entscheidend ist, wie wir mit Fehlern umgehen. Wir akzeptieren Fehler mit der Mentalität, daran zu wachsen und zu lernen, wollen aber keine Kultur der Angst. Ich will keine Spieler, die gehemmt sind vor Angst, etwas falsch zu machen, sondern eine Kultur, in der wir Fehler akzeptieren – aber aus ihnen lernen und sie nicht wiederholen.
Du bringst den Spielern großen Respekt entgegen und versuchst, sehr nahe an der Mannschaft zu sein. Wie reagierst du jedoch, wenn jemand aus der Reihe tanzt?
Wie gesagt, meine Führung basiert auf Vertrauen, aber auch auf Verantwortung. Ich will kein Polizist sein, sondern einen Geist des Vertrauens schaffen, in dem das Team solche Situationen selbst regelt. Ich möchte, dass die Spieler untereinander Verantwortung übernehmen. Es geht um Respekt gegenüber dem Klub, der Gruppe und sich selbst. Unsere Spieler müssen stets bedenken, dass sie Vorbilder sind, viele Kinder schauen zu ihnen auf. Sie sind Inspiration. So wie sie als Kinder andere Spieler bewundert haben, schauen heute Kinder auf sie. Und sie müssen diszipliniert und professionell sein, ihr Werkzeug ist der Körper. Nur wer auf seinen Körper achtet und ihn pflegt, wird Topleistungen erbringen können.

Der Neo-LASK-Coach will eine enge Beziehung zu seiner Spielern aufbauen, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert.
„Das Spiel ist der größte Lehrer“
Als Trainer entwickelt man seine bevorzugte Idee von Fußball über viele Jahre weiter. Du hast bei deinen bisherigen Stationen viele unterschiedliche Cheftrainer mit verschiedenen Ansätzen kennengelernt, von Jose Mourinho über Christophe Galtier bis Leonardo Jardim. Wer hat dich bei der Entwicklung deiner eigenen Idee am meisten geprägt?
Ich habe von allen gelernt – aber am meisten von meinen Spielern und von den Spielen selbst. Am Ende des Tages ist das Spiel selbst der größte Lehrer. Natürlich habe ich auch von allen Trainern sehr viel mitgenommen, speziell, wie sie mit Drucksituationen umgehen und wie man in schwierigen Momenten rational bleibt. Alle Trainer, mit denen ich gearbeitet habe, haben mir gesagt: Früher oder später kommt der schwierige Moment – egal wo du bist. Entscheidend ist, wie du damit umgehst. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in schwierigen Phasen zusammenstehen und unserem Weg vertrauen. Wir wissen, wohin wir wollen, und bleiben auf unserem Kurs, auch wenn es einmal Gegenwind gibt.
Du hast davon gesprochen, eine klare Identität mit dem LASK schaffen zu wollen. Kannst du kurz erläutern, wie diese Identität konkret aussehen soll?
Wir wissen genau, was wir entwickeln wollen, daran arbeiten wir seit dem ersten Tag. Wir wollen ein Team, das das Spiel lesen kann – in all seinen Phasen. Die Spieler sollen verstehen, was das Spiel verlangt, ob wir gepresst werden, im Ballbesitz sind, gegen tiefstehende Gegner spielen. Ich will, dass mein Team all das erkennt und entsprechend reagiert. Natürlich wollen wir dominant sein, mit viel Ballbesitz und hohem Pressing. Aber das ist sehr allgemein gesagt, es geht um die Details. Wir möchten Ballbesitz, aber keinen nutzlosen, sondern einen dynamischen Ballbesitz, Ball und Gegner bewegen, Räume finden, Tore vorbereiten. Wir wollen vertikal spielen, wenn es möglich ist, dominant sein, aber strukturiert. Nicht wild, nicht chaotisch, sondern sehr organisiert.

Auf dem Platz möchte Joao Sacramento eine klare Identität schaffen.
„Idee passt zu den Profilen der Spieler“
Weiters hast du gemeint, dass es nur möglich sei, die Spieler von seiner Idee zu begeistern, wenn man selbst davon überzeugt sei. Zugleich hängt die Herangehensweise natürlich auch von den vorhandenen Spielertypen ab, deren Stärken es bestmöglich zu integrieren gilt. Wie herausfordernd ist es, da den richtigen Weg zu finden?
Ja, ich muss von meiner Idee überzeugt sein – sonst werden es die Spieler auch nicht sein. Ich muss Gänsehaut spüren, wenn ich über unsere Idee spreche, Leidenschaft und Motivation fühlen. Zugleich muss die Idee aber zu den Spielern passen, die zur Verfügung stehen. Darauf achten wir enorm und ich denke, dass unsere Idee gut zu den Profilen unserer Spieler passt. Auch auf dem Transfermarkt sind wir sehr gezielt unterwegs und arbeiten hart daran, jene Spieler zu finden, die unsere Philosophie verkörpern.
Du hast dich bestimmt schon mit der österreichischen Bundesliga auseinandergesetzt. Es warten unterschiedliche Spielanlagen, auf die man verschiedene Antworten finden muss. Wie bewertest du allgemein das Niveau in der Liga, insbesondere in taktischer Hinsicht?
Die Liga ist sehr intensiv und physisch. Besonders Abendspiele bei Regen und schwierigen Bedingungen sind sehr herausfordernd. Ich sehe sehr unterschiedliche Spielstile, generell gibt es viele Zweikämpfe, es wird mit vielen langen Bällen und direktem Spiel gearbeitet. Wir versuchen deshalb, bei hohen und zweiten Bällen sehr stark zu sein. Gleichzeitig sehe ich, dass immer mehr Teams nicht nur auf Physis setzen, sondern auch technisch versierte Spieler holen. Es gibt viel Talent in der Liga, das ist sehr positiv. Auffällig ist auch, dass viele Teams hoch pressen. Das sieht man in anderen Ligen nicht so häufig. Hier haben die Teams keine Angst, sie gehen voll drauf. Diese Liga hat ihre eigene Identität und das gefällt mir.

Joao Sacramento blickt seiner ersten Saison in Österreich mit Zuversicht und Vorfreude entgegen.
„Als Kind in den Fussball verliebt“
Kommen wir nun noch zu dir persönlich. Du gehörst jener – mittlerweile sehr prominenten – Trainergeneration an, die keine eigene Profikarriere hinter sich hat. Nach deiner Zeit als Nachwuchsspieler des SC Braga hast du dich für ein Fußball-Studium in Wales entschieden. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen und was fasziniert dich am Trainerjob am meisten?
Schon als Kind habe ich mich in den Fußball verliebt. Ich war Jugendspieler in Portugal, habe aber mit 17, 18 Jahren gespürt, dass mir etwas fehlte, um Profi zu werden. Ich war gut, aber vielleicht körperlich nicht stark genug. Da habe ich bemerkt, dass meine Liebe nicht nur dem Spiel galt, sondern auch der täglichen Arbeit im Fußball. So entwickelte ich den Wunsch, Trainer zu werden. Mein Vater hat die Möglichkeit des Studiums in Wales entdeckt und riet mir: ‚Du musst gehen. Das ist dein Traum. Mach nicht denselben Fehler wie ich.‘ Er ist ein großartiger Gitarrist, aber hat seine Leidenschaft nie vollauf verfolgt. Dank ihm bin ich heute da, wo ich bin. Das ist auch meine Botschaft für junge Menschen: Folgt eurer Leidenschaft, vertraut euch selbst, seid fokussiert und die beste Version von euch selbst. Mit Kompetenz und Leidenschaft werden Träume wahr.
In dieser Zeit hast du dich intensiv mit der Arbeit von Jose Mourinho und seinem Konzept der taktischen Periodisierung beschäftigt. Wie stark sind die damaligen Erkenntnisse in deinen heutigen Methoden verankert?
Zunächst möchte ich José Mourinho meinen besonderen Dank aussprechen. Einerseits dafür, dass ich die Möglichkeit hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten und viel von ihm zu lernen. Andererseits – und das betrifft eine ganze Generation junger Trainer – dafür, dass er den Weg geebnet hat für jene, die keine Profi-Karriere als Spieler hinter sich haben. Wenn wir heute die Chance haben, unseren Traum im Profifußball zu leben, dann verdanken wir das zu einem großen Teil ihm. Er hat im Fußball alte Paradigmen durchbrochen und Türen geöffnet. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Er ist und bleibt eine große Inspiration. Was unsere Arbeit betrifft, orientieren wir uns – wie viele Trainer weltweit – an der Methodik der taktischen Periodisierung, die in Portugal an der Universität Porto entwickelt wurde. Für mich ist eines entscheidend: Wir arbeiten immer mit dem Ball. Bei uns gibt es keine Trennung zwischen physischer und taktischer Einheit, denn im Spiel gehört beides untrennbar zusammen. Am Ende des Tages zählt vor allem eines: Eine starke Spielidee, die zum Team passt – das ist die Basis für erfolgreichen Fußball.
Abschließend: Du möchtest mit deinem Team schöne Erinnerungen schaffen. Wenn du in einigen Jahren zurückblickst: Was muss passieren, damit du dieses Ziel als erreicht betrachtest?
Das ist schwer zu beantworten. Es ist ein Gefühl, das man täglich aufbaut. Es geht nicht nur darum, einen Pokal zu gewinnen, sondern um den Weg dahin, um die Opfer, die man bringt, den Spaß, die Umarmungen. Die kalten Regentage, an denen das Team trotzdem mit Freude auf dem Platz steht. Es ist die Reise – nicht das Ziel. Ich will, dass meine Spieler diese Reise genießen. Das gilt auch für die Fans. Genießt jeden Moment. Ich will, dass sie spüren: Jeder Sieg ist auch ihr Sieg, Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen, wir feiern Tore zusammen, wir kassieren Tore zusammen. Ich will, wie ich am ersten Tag sagte, dass unser Stadion ein Vulkan ist. Wenn der Schlusspfiff ertönt ist, dann ist wieder Raum für andere Dinge. Aber in den 90 Minuten gilt: Schalten wir alles andere aus, leben wir den Moment gemeinsam mit dem Team.
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Das Interview und viele weitere Geschichten lest ihr jetzt in der brandneuen Ausgabe unseres 08ER-Magazins, das am Freitag beim Bundesliga-Heimspiel gegen den SK Sturm in der Raiffeisen Arena verteilt wird!

Der neue 08ER wird am Freitag beim Heimspiel gegen Sturm verteilt.
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